Zu Risiken und Nebenwirkungen Fröhlich pfeifend bin ich am Freitag mit einer sehr guten Berliner Freundin nach dem Chemo-Zyklus aus der Tumorambulanz der Charité herausspaziert und fühlte mich den Umständen entsprechend gut. Am Samstag telefonierten wir und spazierten einmal um den Lietzensee. Sonntags lief ich nach dem Frühstück allein mit Stöcken zur Sicherheit und machte auf dem Weg einhundertvierzig Fotos! Das Fotografieren gibt mir immer wieder Energie. Ich merkte bei allem Enthusiasmus aber auch, dass es mich ziemlich anstrengte. Eine andere Freundin kam mich nachmittags besuchen. Einen Tag darauf war ich ziemlich erschöpft, erledigte bewusst langsam die Morgentoilette und frühstückte mit Wonne Birnen mit Blauschimmelkäse überbacken. Ich hatte richtig Lust darauf und der Körper schien Alles direkt zu verbrennen, wieder wie ein Durchlauferhitzer. Ich raffte mich sogar auf, zum Feldenkrais zu gehen und im Sitzen mitzumachen. Es ging so gut, dass ich alle Übungen in Rückenlage mitmachen konnte. Ich aß zu Mittag und machte eine Ruhepause. Da merkte ich, dass die Energie nicht so richtig floss. Ich nahm mir vor, meinem Körper Ruhe zu gönnen, damit die „Chemo-Polizei“ gründlich aufräumen und alles auskehren konnte. Abends aß ich mit Appetit einen selbstgemachten Rucola Salat mit Weintrauben, noch die eigene Ernte aus dem Garten. Ich wollte früh ins Bett gehen und habe nur noch mit meinem Bruder telefoniert. Das Kribbeln und die Nervenschmerzen bekam ich mit Wärme, Wollsocken und Kuscheldecke, gut verdrängt.
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Nachts wurde ich wach, wollte kurz aufstehen, aber ich fühlte kalten Schweiß, leichten Schwindel und ließ mich vorsichtshalber direkt wieder nieder. Ich schlief ganz gut durch, stand um kurz vor acht auf, fühlte mich zwar schwach, aber vertraute auf meine inneren Kräfte. Im Bad ließ ich es langsamer angehen. Ich ging in die Küche und wollte Kaffee kochen, aber der normale Bohnenkaffee schien mir heute nicht so bekömmlich. Zurück im Bad fühlte ich mich nicht wohl, stützte mich auf das Handwaschbecken, roch an meiner Lieblingscreme mit Himbeeraroma, was ich als Tipp zum Wecken der Lebensgeister in irgendeinem Ratgeber gelesen hatte, aber heute Morgen gab mir das den Rest. Mir brach kalter Schweiß aus und ich konnte mich nicht mehr halten. Binnen weniger Sekunden schlug ich auf den kalten Fliesenboden meines Bades und war kurz bewusstlos. Ich kam wieder zu mir und hatte Panik. Sollte ich den Notrufknopf drücken? Dann würde die ganze Maschinerie in Gang gesetzt und ich würde in der Notaufnahme landen. Eine üble Vorstellung, sicherlich geprägt von den unangenehmen Erinnerungen an meine Zeit mit der Hüfte 2015. Ich lag so auf dem Rücken, nackt, gefühlt eine Ewigkeit auf dem kalten Fliesenboden im Bad. Langsam drehte ich mich um und stemmte mich auf die Knie. Mir war hundeelend zumute, ein Horrorszenario. Schwer wie Blei, kalter Schweiß am ganzen Körper, ein flaues Gefühl im Magen, wippte ich vorsichtig vor und zurück, um den Kreislauf in Schwung zu bringen. Ich rutschte langsam auf den Knien Richtung Badezimmertür, wollte nicht aufstehen, um nicht wieder umzufallen.
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