Und ich heute!

Selber testen ist nicht schwer, testen lassen dagegen sehr!
Unglaublich, wie viele individuelle Befindlichkeiten beim Testen auftreten können. Kein Kind hatte ein vollständiges Test-Kit dabei. Ich durfte das erste Mal in der ersten Stunde eine vierte Klasse sich selbst testen lassen. Wie schön! Durchatmen, tief durchatmen und nicht aufregen, Frau Hartmann. Ich öffne zunächst den Karton mit den Testutensilien und sehe nicht mehr durch. Das ist mir aber in diesem Moment egal. Ich laufe durch die Tischreihen und teile die Testbänkchen aus. Aber von allen Seiten kommt gleichzeitig ungefragt mit 120 Dezibel, was jedes Kind gerade benötigt. Stopp, Frau Hartmann, geht so gar nicht! Ich gehe zurück ans Pult und frage die Kinder nach und nach, wer von ihnen die Test-Bank nicht hat. Finger gehen hoch, ich zähle ab, so geht's. Ich hätte gern Kilometergeld ??. Nächste Frage: wer hat eine Klammer? Super, über die Hälfte der Klasse nicht! Schön die Kinder loben, die eine Klammer haben. Ich suche mit den Augen den Klassenraum ab und nehme einige Winterkunstwerke zur Klammergewinnung von den Wänden. Finger oben, Kilometergeld für mich, bitte. Nächste Runde: wer hat kein Teststäbchen? Finger hoch, und so wird langsam ein Schuh draus. Nach gefühlten fünfzig, aber realistisch fünf Durchgängen sind alle Kinder vollständig mit den Testutensilien ausgestattet. Ich habe lediglich die verrückte Idee gehabt, dass die Kinder die Testflüssigkeit, die für mehrere Durchgänge reicht, zu dritt selbständig weiterreichen und teilen könnten. Der erste, leider grobmotorisch veranlagt, das hatte ich kurz ausgeblendet, bekam die Testflüssigkeit nicht ins Röhrchen geträufelt.

Tief durchatmen, Frau Hartmann, wird schon. Ich switche um und tröpfele es den drei Schüler/-innen, die mir grobmotorisch beziehungsweise ungeschickt erscheinen, selbst ins Röhrchen. Die Kinder testen sich, ob es ein sicheres Ergebnis gibt, weiß ich nicht. Ein Mädchen sitzt vor seinem Tisch und hält das Röhrchen schön in der Hand. Ich sage ihr: „Du musst jetzt das Röhrchen verschließen, umdrehen und drei Tropfen in die Vertiefung träufeln.“ Immer schön freundlich bleiben. Geht's noch? Das würde ich den lieben Kleinen nie so direkt sagen, denn sie können ja nichts dafür. „Alle schaffen es bitte, demnächst fertig zu werden.“ Ich kündige an, dass ich mit dem Mülleimer herumkomme und den Müll einsammle. „Was soll ich jetzt machen?“ ertönt es ungefragt von fast allen Schüler/-innen. Na, so ist es eben. Ob ich in dieser Schulstunde überhaupt noch Unterricht erteilen kann, wird sich zeigen.
Zur Erklärung: Beim Selbsttest nimmt jedes Kind ein Wattestäbchen, dreht es fünfmal im einen Nasenloch, fünfmal im anderen Nasenloch, steckt es in das Röhrchen mit der Testflüssigkeit, dreht es darin ebenfalls fünfmal, verschließt das Röhrchen und träufelt drei Tropfen in das runde Loch im Testbänkchen. Ungelogen müssen wir diesen Vorgang den Kindern jeden Morgen beim Testen bis in die sechste Klassenstufe vorsagen, sonst klappt es nicht. Unnötigerweise ändern sich die Test-Kits oft wöchentlich, das heißt, es müssen manchmal vier Tropfen eingeträufelt werden oder der Verschluss fehlt oder es ist etwas anderes. Dadurch wird uns zu Beginn jeder ersten Stunde wenigstens nicht langweilig.

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