Besser mit Helm!

Ich legte sieben große Fotoalben an und sortierte alle Fotos, die mein Bruder und ich bei den Wohnungsauflösungen meiner Tanten und unseres Elternhauses gefunden hatten. Im Arbeitszimmer stand nichts mehr herum. Ich war stolz auf mich, das Ganze sogar im Rollstuhl sitzend geschafft zu haben. Ich schaffte es sogar, Stück für Stück, die beiden zusätzlichen Schreibtische mit Metallschubschränken als Unterbau zusammenzubauen. Ich begann damit, den Umleimer auf die Kanten der Schreibtischplatten aufzubügeln. Ich holte das Bügeleisen, setzte mich zwischen die ersten zwei Schubladenschränke und startete mit der ersten Kante im Stehen. Dann kam die lange Seite im Sitzen dran. Es ging! Was für ein Glücksgefühl! Die kurze Seite bügelte ich wieder im Stehen auf und schon war der gesamte Umleimer fertig aufgebügelt. Das war eine Stunde Arbeit. Ich war geschafft, aber sehr zufrieden, weil es mir möglich war, solche handwerklichen Arbeiten wieder hinzubekommen. Ich hatte mir vorher, wie sonst auch, die einzelnen Schritte und Handgriffe aufgeschrieben und gut durchdacht. Nachmittags schnitt ich die überstehenden Streifen des Umleimers ab und schliff die Kanten sauber nach, den Mülleimer immer direkt dabei, da Saugen und vor allem Fegen noch ziemlich mühsam für mich war. Am nächsten Tag gab es denselben Arbeitsgang mit der zweiten Arbeitsplatte. Es klappte noch besser als bei der ersten. In der Mittagspause überlegte ich mir die Schritte, wie ich die Löcher in die Metallschubschränke bohren, mit Metalleinsätzen vorstechen, die Löcher in die Arbeitsplatten bohren und die Holzdübel in die Arbeitsplatten leimen würde. Diese drei Arbeitsgänge wollte ich am nächsten Vormittag schaffen, damit der Leim über die Mittagszeit einziehen und trocknen konnte.

Wohl bemerkt, das Ganze sollte im Rollstuhl sitzend passieren! Gesagt, getan, nachmittags drehte ich die fertig vorgebohrte und getrocknete Arbeitsplatte um und die Holzdübel versanken fast widerstandslos in den Metallschränken! Das nennt man dann wohl, der Glaube an sich selbst kann Berge versetzen! In meinem Fall müsste ich es umformulieren in „der Glaube an mich selbst kann Arbeitsplatten versenken“. Am nächsten Tag kam die zweite Arbeitsplatte dran. Same procedure. Nachmittags waren beide Schreibtische fertig. Zur Abrundung meines Erfolges saugte ich die Umleimer Reste pingelig auf, wischte den Staub von den Platten ab und fotografierte mein aufgeräumtes, fertiggestelltes Schreibtischensemble. Ich schickte es meiner besten Freundin und dem Gartenfreund. Sie waren beeindruckt und ich war zufrieden mit mir. So räumte ich Tag für Tag noch weiter die Büroschränke aus und entsorgte überflüssige Materialien. Der Anblick war für mich eine wahre Wonne! Nach und nach eroberte ich mir die Räume meiner Wohnung, deren Schwellen nicht entfernt worden waren. Ich begann mit dem Schlafzimmer. Jetzt, mit dem Abstand, wird mir erst bewusst, dass diese Eroberung eine Tagesaktivität für mich gewesen war, die ich mir nach dem Frühstück regelrecht vorgenommen hatte. Ich wollte zum ersten Mal Wäsche in den Kleiderschrank einsortieren und rollte dafür mit dem Rollstuhl bis an die Podestkante heran, zog die Bremsen des Rollstuhls an, machte einen Schritt bis zum Ohrensessel im Schlafzimmer und stützte mich an ihm ab. Ich drehte mich, packte den ganzen Wäschestapel und legte ihn auf das Bett. Dann teilte ich die Wäscheteile in Stapel auf und legte sie auf dem Bett auseinander. Ich brauchte eine kurze Pause und setzte mich in den Sessel.

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