Essen auf Rädern!

Also stemmte ich mich wieder hoch, stand, dann öffnete ich die Kaffeetüte und füllte das Kaffeepulver ein. Nun kam der entspannende Moment, ich drückte den Einschaltknopf der Kaffeemaschine. Wie zufrieden kann man mit so einer Kleinigkeit schon sein, einer laufenden, Kaffeeduft verströmenden Kaffeemaschine! Der Rest war machbar, dank meiner netten zwei Frauen, die unter mir wohnen. Sie hatten für mich meine Lieblingslebensmittel eingekauft. Von diesem endlich fertig gedeckten Frühstückstisch an diesem Samstagmorgen machte ich voller Stolz ein Foto mit dem Smartphone und schickte es an meine beste Freundin und meinen Bruder. Dann ging es los! Wie mundete mein erstes Frühstück zu Hause, nach zwei Monaten Krankenhausfraß und schlechtem Kaffee! Ein guter Tag fängt für mich soweit ich denken kann mit einem guten Frühstück an. An diesem ersten Tag in meiner Wohnung dauerte das Frühstück sehr lange!!!! Ich genoss es in vollen Zügen! Dann räumte ich alles wieder in den Kühlschrank zurück. Jede Handbewegung wurde langsam vertrauter. Es war nur etwas verändert durch das Sitzen im Rollstuhl. Das Geschirr in die Spülmaschine zu räumen ging mir gut von der Hand, fast besser als im Stehen, da ich mich dafür nicht zu bücken brauchte. Um die Zeit in meiner Wohnung besser aushalten zu können und mich nicht eingesperrt zu fühlen, hatte ich mir eine Tagesstruktur gegeben. Müde von der Morgentoilette, dem Zubereiten des Frühstücks, dem Frühstück selbst und einer Tagesaktivität wie Wäsche waschen, Putzen, Saugen, Aufräumen rollte ich meist kurz vor dem Mittagessen erst mal zufrieden zum Ausruhen in mein Pflegebett im Arbeitszimmer. Ich genoss die Aussicht aus den beiden großen Fenstern. Diesen Blick hatte ich so noch gar nicht wahrgenommen, da ich normalerweise immer am Schreibtisch am Fenster saß.

Vor Erschöpfung schlief ich oft ein. Das neue, selbstständige Leben in meiner Wohnung war einfach anstrengend. In den ersten zwei Tagen wärmte ich mir mittags einen Rest von der Mahlzeit der Chorfrauen in der Mikrowelle auf, räumte noch ein bisschen auf und legte mich wieder in mein Pflegebett. Nachmittags freute ich mich dann auf eine frische Tasse Kaffee. Irgendwie fröstelte ich in den ersten Tagen immer noch ziemlich, obwohl die Wohnung langsam wieder aufgewärmt war. Da freute ich mich auf einen schönen, heißen, duftenden Kaffee. Die zweite Kaffeemaschine kam dran, gut geeignet für einzelne Tassen. Wieder muss-te ich einiges verrücken, dass ich gut an sie herankam. Ich holte eine große Tasse aus dem alten Küchenbuffet. Der Richtungswechsel mit dem Rollstuhl am kleinen Küchen-tisch gelang mir immer besser. Wäre doch gelacht, wenn ich das hier in meiner Wohnung nicht hinbekommen würde. Rollstuhlfahrer müssen ihr Leben lang damit fertig werden. Abends kam dann der Test, wie gut ich auf meinem Sofa würde sitzen können, und, wie ich mich überhaupt hinsetzen könnte. Ich hatte mir die Abläufe schon in der Klinik überlegt, aber jetzt musste ich es in die Tat umsetzen. Ich fuhr mit dem Rollstuhl dicht an das Sofa heran, klappte die Fußrasten hoch, stemmte mich hoch, machte eine kleine Drehung und setzte mich zuerst auf die Armlehne des Sofas. Dann stützte ich mich auf der Arm-lehne ab, ließ mich auf dem Sofa nieder und machte die Beine lang. Der Ablauf war für mich noch ungewohnt, aber es ging von Mal zu Mal besser. Noch immer war ich in das dicke Sweatshirt eingepackt, denn wenn ich still auf dem Sofa saß, war es mir kalt. Ich stand noch einmal auf, rollte zum Fenster, schaltete die Stehlampe an, rollte zur Tür, schaltete eine Tischleuchte dazu.

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